Chronik

 Im Jahr 2009 feierte unser Verein sein 100-Jähriges Bestehen.

 

Hier ein Auszug aus der Chronik in unserer Festschrift:

Vor 100 Jahren vollzog sich die Gründung unseres Kleingartenvereins.

 

Aufbau, Vernichtung und Wiederaufbau zeichneten den Weg der Entwicklung unserer Gartenanlage, auf die wir mit  Recht stolz sein können.

Dass die wachsende Industrialisierung, die Arbeit der vom Lande in die Stadt strömenden Menschen an den  Maschinen einen Ausgleich erforderten, erkannte auch der damalige „Evangelische Männer- und Jünglingsverein der  Kirchengemeinde Rothenditmold e.V.". Nach dem Vorbild des Arztes Schreber (1808-1861), dessen Verehrer  Hauschild 1864 die ersten „Schrebervereine" schuf, gründete der „Jünglingsverein" am 1. April 1909 im inzwischen  eingemeindeten Stadtteil Rothenditmold seine ersten Kleingärten. Voraussetzung dafür war der zehnjährige  Pachtvertrag, den die Gartenfreunde des „Jünglingsvereins" unter Herrn Pfarrer Valentin damals mit den  Grundstücksbesitzern (Witwe Rüppel, Rentier Wassmuth, Landwirte Appel, Spohr und Heußner) für ein Gelände von  183 ar (zu anderthalb Pfennig pro Quadratmeter) abgeschlossen haben.

Jene Zwanziger Jahre sahen unsere Rothenditmolder Kleingartenanlage schon in einer gewissen „Blütezeit". Ab 20.  November 1915 war der neue Gartenbauverein Cassel-Rothenditmold" als Nachfolger des „Jünglingsvereins"  aufgetreten. Unter seinem Vorsitzenden, dem Königlichen Zugführer Fr. Götze, hatte er die Anlage auf zehn Jahre  gepachtet und verlängerte 1927 diesen Vertrag. Die „Erlaubnisurkunde" zum Ausschank von Fassbier, Kaffee und  sonstigen alkoholfreien Getränken in der Erfrischungshalle war damals schon erteilt.

1941 wurde die Wirtschaftshalle und ein Stück Gartenfläche der Fa. Wegmann & Co. vermietet, die hier etwa 120  französische Kriegsgefangene unterbrachte. Ein Beschluss der Stadtverwaltung brachte unseren „Kleingartenverein  Rothenditmold e. V." wie er sich wohl ab 1939 nannte, sogar an den Rand der Auflösung: Die so genannte Wiener  Straße (von der Tannenwäldchen-Brücke schnurgerade in Richtung Naumburger Strasse) Durchschnitt 1941 in der  Planung unsere Anlage. Ein Teil der Gärten wurde eingeebnet und Schutt abgeladen, um den Höhenunterschied zu  überwinden. Viele Mitglieder wurden nach dem Frasenweg umgesiedelt. 35 Namen umfasst die „Auszahlungsliste",  die Vorsitzender Adam Mihr damals anfertigen musste. Überbleibsel jener Zeit war bei Kriegsende 1945 nicht nur der  Schuttberg, sondern waren auch die 69 Bombentrichter, die unser Kleingartengelände in eine Kraterlandschaft  verwandelt hatten, so dass eine Kommission bei der ersten Besichtigung Anfang des Jahres 1946 den Vorschlag  machte, die Gärten aufzugeben. Kein Weg, kein Zaun war mehr zu erkennen, das Vereinshaus lag in Trümmern, die  Mitglieder lebten in alle Himmelsrichtungen zerstreut. 

Doch die wenigen, die zur Verfügung standen, gingen unverzagt an die Arbeit. 1962 ist die Schutthalde eingeebnet  worden. An dieser Stelle entstanden 6 neue Gärten. Das Vereinsheim wurde wieder aufgebaut.

 

1947 gründete sich der Verein neu unter dem heute aktuellen Namen „Kleingartenverein Rothenditmold 1909 e.V.“

 

Unsere Anlage befand sich wieder in einem guten Zustand. Bei den jährlichen Gartenbegehungen vom  Stadtgartenamt und dem Stadtverband der Kleingärtner Kassel wurde sich lobend über unsere Anlage  ausgesprochen. Sie konnte sich ohne weiteres mit anderen Gartenanlagen messen. Sollte nun diese Arbeit des  Aufbaus, wie es in unserer Entwicklungsgeschichte bereits aufgezeigt wurde, vergebens gewesen sein? Denn es  bahnte sich ein neues Unheil an!

Ein Bebauungsplan der Stadt Kassel für das Gebiet Naumburger Strasse, Philippistraße, Main-Weser-Bahn,  Wolfhager Strasse, welcher uns durch öffentliche Auslegung bekannt geworden war, hätte den Verein wieder an den  Rand der Auflösung gebracht.

Der Durchführung dieses Planes wären 67 Gärten ganz und 15 Gärten zum Teil zum Opfer gefallen.

Die wenigen noch übrig gebliebenen Gärten wären dann nicht mehr als Gartenanlage zu betrachten gewesen, da sie  durch eine Strasse durchschnitten wäre.

Der Bau der Strasse hätte aber auch die Kleingärtner betroffen, die nicht unmittelbar im Bereich dieses Bauvorhabens lagen. Da die Wasserleitungen die geplante Strassenführung mehrmals überqueren, hätten diese auf eine gewisse  Zeit stillgelegt werden müssen. Das hätte zur Folge, dass die Pflege der Gärten für einen Zeitraum in Frage gestellt  wäre. 

Energisch wandte sich der Vorstand des Vereins gegen diese Vorhaben. In einem Presseartikel unter der Überschrift:  „Kleingärtner erheben Einspruch, welcher am 10. April 1965 in der „Hessischen Allgemeinen" veröffentlicht wurde,  wandte sich auch der Verein an die Öffentlichkeit. Unterstützt wurde der Verein in seinen Bemühungen durch eine  Anzahl von Vereinen und Betrieben, die gleichfalls Einspruch gegen diesen Bebauungsplan erhoben, da sie selbst ein grosses Interesse an der Erhaltung der Gartenanlage hatten. Unter anderen waren es: Der „Radfahrverein 1899", der „Radfahrverein Flottweg", der „Spielverein 06", die „Sudetendeutsche Landsmannschaft", der „Betriebsrat der Fa. Paul Beier KG" und Weiteren. Besonders zu erwähnen wären noch: „Der Fraktionsvorsitzende der SPD und damalige  Ministerpräsident von Hessen Herr Holger Börner, der Ortsgruppenvorsitzende der SPD Herr Erwin Böhm, der  damalige Stadt- und Kreisverbandsvorsitzende der Kleingärtner Herr Kurt Schmidt sowie die Stadtverordneten Frau  Marianne Gründer und Herr Richard Hicke.

Erfreulicherweise fand unser Protest bei ihnen ein offenes Ohr, Ihnen ist es mit zu verdanken, dass dieses Vorhaben  nicht realisiert wurde.

Obwohl der Plan, eine Strasse durch die Anlage zu bauen, fallen gelassen war, wurden im März 1968 im Auftrage des  Vermessungsamtes der Stadt Kassel erneut Vermessungsarbeiten durchgeführt. Dieses mal sollte es nur ein  Fussweg sein, der die Gartenanlage spalten sollte.

Auf unsere Einwände erhielten wir vom Stadtgartenamt und Stadtverband die Zusicherung, dass dieser geplante  Fussweg nicht gebaut werden soll.

Wenn man bedenkt, was aus der ersten provisorischen Wirtschaftsbude von 1910 oder nach den Wiederaufbau 1946  aus dem vorläufigen Düngerschuppen als Hilfskantine geworden ist, so wird man wohl feststellen, das wir heute ein  gemütliches Vereinsheim besitzen. Die erste Bierrechnung der Brauerei A. Kropf, Kassel, aus dem Jahre 1913 lässt  uns im Jublläumsjahr auf eine über 96 Jahre bestehende Geschäftsverbindung zurück blicken.

Folgende Pächter bewirtschafteten unser Vereinsheim nach 1947: „Richard Witzel, Heinrich Urff, Konrad Spohr, die  Familien Emil Grebe, Georg Blackert, Karl Mohr und Erwin Buchenau." Im Oktober 1960 wurde vom Vorstand  beschlossen, das Vereinsheim in eigener Regie zu übernehmen. Nach anfänglichen Startschwierigkeiten - ohne  Eigenkapital - ist es dem Idealismus der Kleingärtnerfamilien zu verdanken, die sich für die Bewirtschaftung bereit  erklärt hatten, dass aus dem Vereinsheim eine gut gehende Gaststätte geworden ist. Geschäftsführer war Willi Gräf.  An viele Familienfeiern, wie Geburtstage, grüne und silberne Hochzeiten wird noch gern zurückgedacht. Höhepunkt  war das 60jährige Vereinsjubiläum mit Festzelt in eigener Regie.

Im April 1972 wurde die Vereinsgaststätte an das Gastwirts- Ehepaar Irmchen und Rudi Bläsing verpachtet. In der  Nachfolgezeit mussten wir leider häufige Pächterwechsel hinnehmen, obwohl zur Erhöhung der Attraktivität des  Lokals das Vereinsheim renoviert und ein idyllischer Biergarten angegliedert wurde.

Die Bevölkerungsstruktur im Stadtteil Rothenditmold, in dem unsere Anlage liegt, hat sich in den vergangenen  Jahrzehnten stark verändert. Ein nicht unerheblicher Anteil der Einwohner hat migranten Hintergrund. Hier treffen  Menschen vieler Nationen und unterschiedlicher Kulturen aufeinander.

Da die Bewerber um eine Gartenparzelle meist aus der näheren Umgebung kommen, hat dieses Phänomen natürlich  auch Auswirkung auf die Mitgliederstruktur unseres Vereins. Hier sieht sich (hoffentlich) nicht nur der Vorstand in der  Verantwortung, diese Mitglieder zu integrieren und für unser Vereinswesen zu gewinnen. Dass dies teilweise schon  gut gelungen ist und sich gute Nachbarschaften entwickelt haben, sollte allen Mitgliedern Mut machen, in den  Bemühungen um gegenseitiges Verständnis nicht nachzulassen.

 

Der Vollständigkeit halber noch eine Aufstellung der bisherigen Vorsitzenden:

(Leider können die Verantwortlichen aus der Vorkriegszeit nicht mehr lückenlos nachgewiesen werden.) Angefangen beim Vereinsgründer, Herrn Pfarrer Valentin, Ihm folgte 1915 der Königliche Lokführer Friedrich Götze 1932 erscheint ein gewisser C. de Greiff in den Vereinsannalen. Während der Kriegsjahre (1941) wird Herr Adam Mihr als 1. Vorsitzender in den Aufzeichnungen erwähnt. Nach Kriegsende wurde Gfrd. Willi Siebert kommissarisch als Vorsitzender für den Verein eingesetzt. Bei der 1. Wahl  wurde dann Gfrd. Philipp Fischer zum Vorsitzenden gewählt.  Im Februar 1949 wurde er durch Gfrd. Adam Hohmann abgelöst. Zwei Jahre später, im Februar 1951 wurde Gfrd. Valentin Löffler zum neuen Vorsitzenden gewählt. Ihm folgte im Februar 1958 Gfrd. Franz Jürgens. Am 28.1. 1962 wurde Gfrd. Erich Siebert zum Vorsitzenden gewählt,  der 20 Jahre lang den Verein leitete. Von 1982 bis 1998 führte Gfd. Helmut Thill die Amtsgeschäfte. 1998 übernahm Gfrdin. Ulrike Lösking die Vereinsführung, die sie nach dem Sommerfest 2005 niederlegte. Gfrd. Armin Pape übernahm als Stellvertretender Vorsitzender die Vereinsführung, bis 2008 In einer ausserordentlichen Mitgliederversammlung Gfrd. Helmut Thill das Amt des 1. Vorsitzenden wieder übernahm, das er bis heute bekleidet.